Wer in der Digitalisierung mithalten will, muss sich weiterbilden. Für Unternehmen und Beschäftigte gibt es mittlerweile viele Angebote – aber zentral ist ein Umdenken bei den Beschäftigten.
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Und der Gewinner ist … die Weiterbildung von Betriebsräten in der Digitalisierung! Freudestrahlend nahm der IG-Metall-Bildungsreferent Marcello Sessini die Ehrung auf der Labor.A, der großen Veranstaltung im September zur neuen Arbeitswelt in Berlin, entgegen. Er hatte beim dortigen Ideenpitch ein Projekt vorgestellt, ein praxisnahes Studium zur Digitalisierung für Betriebsräte an der Ruhruniversität Bochum.
Gewinner war aber nicht nur diese Idee. Wohl kaum ein anderes Thema zog sich so dominant durch die Labor.A wie die Weiterbildung in der digitalen Transformation. Die Herausforderung ist angekommen, die Ideen dazu vielfältig.
Das ist auch dringend notwendig. Viele Unternehmen bereiten die Beschäftigten immer noch schlecht vor auf die Digitalisierung – obwohl der Weiterbildungsmarkt, vom E-Learning bis zum berufsbegleitenden Studium, boomt. Laut dem Transformationsatlas der IG Metall von 2018, für den rund 2000 Betriebsräte befragt wurden, sehen 95 Prozent der Betriebsräte wegen der Digitalisierung einen hohen Qualifizierungsbedarf. Eine systematische Strategie dafür hat aber weniger als die Hälfte der Unternehmen. Nach einer Umfrage des Beratungsunternehmens Gallup bei Beschäftigten fühlen sich gerade mal 28 Prozent ausreichend gefördert. „Wir brauchen von oben bis unten Kompetenzentwicklung“, konstatiert Kajsa Borgnäs, die Leiterin der IG-BCE-Stiftung Arbeit und Umwelt auf der Labor.A.
Weiterbildung ist für einen Teil der Beschäftigten weiterhin eine Ausnahme. Mehr als ein Fünftel hat kaum oder gar keine Gelegenheit, sich zusätzlich zu qualifizieren. Vor allem in kleineren Betrieben gibt es viel Luft nach oben.
Ein besonderes Problem ist dabei die Weiterbildung in kleinen und mittleren Unternehmen, vor allem im ländlichen Raum. Digitalisierung und Weiterbildung sind teuer, und auf dem Land gibt es oft weniger Beratungsangebote. „Für kleine Betriebe ist das viel schwieriger“, sagt Anja Walter, Projektmanagerin bei der Wirtschaftsförderung Land Brandenburg. Wichtig sei deswegen, dass die Beschäftigten von Anfang an mit einbezogen würden.
Brandenburg ist ein Paradebeispiel dafür. Das größte ostdeutsche Bundesland ist dünn besiedelt, mit vielen Kleinst- und Kleinunternehmen. Für sie hat man hier eine spezielle Beratung eingeführt, den „BIG-Digitalisierung“ (Brandenburger Innovationsgutschein). Mit dem Gutschein erhalten kleine Betriebe, die ihre Digitalisierung planen oder Beschäftigte schulen wollen, eine finanzielle Unterstützung. Bezahlt werden Berater, Hard- und Software und Weiterbildungen. Insgesamt sind seit April 2018 laut brandenburgischen Wirtschaftsministerium rund 11,8 Millionen Euro in 126 Projekte geflossen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat zudem bundesweit 26 Mittelstands-Kompetenzzentren errichtet, wo KMU digital ihren Beratungs- und Weiterbildungsbedarf abrufen können.
Hotelier Sven Schönberg hat mit Hilfe der brandenburgischen Förderung Büro und Gästekommunikation in seinem Hotel „Sonnidyll“ im Havelland digitalisiert. „Wir haben jetzt ein fast vollständig papierloses Büro. Und die Gäste können auf den Tablets auf dem Zimmer digital alle Informationen abrufen, egal ob Radtouren oder Termine in unserem Wellnessbereich. Vorher war das eine Flyersammlung. Online ist das ein klarer Mehrwert für Gäste.“ Von der dazu notwendigen Weiterbildung seien seine sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Anfang „nicht alle begeistert“, sagt Schönberg. „Aber jetzt sehen sie die Vorteile – es geht viel entspannter zu und schneller. Die Digitalisierung hat die Arbeitsprozesse vereinfacht.“ Entlassen wurde mit der Digitalisierung niemand.
Auch das wbm-Prüflabor für Werkstoffprüfungen mit zehn Beschäftigen in Eberswalde, rund 70 km nördlich von Berlin, hat sich beraten lassen. „Wir nehmen die Förderung immer mal wieder in Anspruch. So zum Beispiel bei der Digitalisierung der Röntgenprüfung von Schweißnähten“, sagt Geschäftsführerin Cornelia Beyer-Meseke. Die entsprechende Weiterbildung wurde ebenfalls gefördert. Für diese speziellen, aber regelmäßigen Weiterbildungen frage man die zuständige Investitionsbank Brandenburg fast jedes Jahr an. „Die Anträge sind manchmal etwas kompliziert, aber das funktioniert gut.“
Es gibt also Angebote – aber ob sie reichen, um die Beschäftigten auf die zunehmend digitalisierte Arbeitswelt vorzubereiten, ist fraglich. Zwar gibt es seit Jahresanfang 2019 die Möglichkeit für Beschäftigte, eine Weiterbildung durch die Arbeitsagentur bezuschussen zu lassen, aber die Nachfrage nach digitaler Weiterbildung ist bisher gering. Damit das mehr wird, muss sich gesellschaftlich etwas ändern, sagt der DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann: „Wir müssen einen Kulturwandel hinbekommen. Die Menschen müssen Weiterbildung annehmen und wollen.“